Gewissen mit Halbwertszeit?

Kommentar von Gregor Szyndler

Die Publikation der Vernehmlassungs-Antworten zur Änderung des Zivildienstgesetzes fiel letzten Dezember in die Zeit nach dem Druck der LMC. Mittlerweile steht das 99 Megabyte grosse, mehr als 1400 Seiten lange PDF allen Interessierten zur Verfügung.
Das Erfreuliche vorweg: von den ersten 75 Stellungnahmen von Einsatzbetrieben verwendeten 60 die von der CIVIVA-«Arbeitsgruppe Einsatzbetriebe» zur Verfügung gestellte Vorlage. Das zeigt, wie genau auf die Anforderungen der EiB zugeschnitten unsere Bemühungen sind und dass sie von den EiB geschätzt werden. Eine Vielzahl von EiB zählt auf die Arbeit von CIVIVA – nebst den zahllosen anderen EiB, die von sich aus Vernehmlassungs-Anworten schrieben.

In der Mottenkiste wühlen
Schockierend aufschlussreich sind Suchen nach Begriffen wie «Pro Militia», «SFV Fourierverband», «Schweizer Unteroffizier-Verband» oder «Gewerbeverband». Nicht, dass man von solcher Seite mehr erwarten würde als argumentatorischen Kadavergehorsam, Allgemeinplatzpatronen und rhetorische Nebelkerzen. Dass der Gewerbeverband zuerst 5 Zeilen braucht, um sich als Gralshüter von KMU und Unternehmertum zu stilisieren, um dann auf 3 Zeilen eine wirtschaftsfeindliche ZDG-Revision abzufeiern, ist schon ein sehr schwaches Stück.
Schockierend ist die in vielen Antworten greifbar werdende Geringschätzung verfassungsmässiger Grundrechte. Bei Pro Militia liest sich das so: «Der Wechsel in den Zivildienst soll nur noch vor Beginn der Rekrutenschule möglich sein, wobei die Gewissensprüfung anstelle des Tatbeweises wiedereingeführt werden soll.» Nicht genug damit, dass die Forderung nach Wiedereinführung staatlicher Gewissenskonflikt-Zertifizierungs-Instanzen wieder so hip geworden ist. Nein, es soll dem Gewissen auch gleich noch von Gesetzes wegen eine Halbwertszeit verordnet werden. Wer «erst» nach dem Anschauungsunterricht in RS und WK einen Gewissenskonflikt mit der Armee bekommt, soll nur noch durchs gute alte, schon jetzt zigtausendfach jedes Jahr praktizierte, von der Armee totgeschwiegene UT-schreiben-Lassen eine Lösung für sein Problem finden. Dass sogar CVP und FDP als «ultima ratio» wieder  zur  Gewissensprüfung greifen würden, schockiert und macht hellhörig im Jahr eines möglichen Zivildienst-Referendums.
Wenigstens hat sich ein herziger Logikfehler in die Pro-Militia-Stellungnahme geschlichen: denn ob die Stahlhelme den Tatbeweis wirklich mit der Gewissenprüfung ersetzen, oder ob sie nicht vielmehr beides kombinieren und zur ultimativen Drangsalierung von AdA-die-Zivis-werden-möchten einsetzen wollen, wird sich erst noch weisen müssen. Falls es überhaupt so weit kommt. CIVIVA bleibt wachsam. Und auf Unterstützung angewiesen. Es gibt viel zu tun. Packen wir’s an.