#ObjectWarCampaign

Rudi Friedrich von der #objectwar-Kampagne im Gespräch. Die Fragen stellte Gregor Szyndler.

Was sind die Ziele eurer Kampagne?

Mit unserer Kampagne setzen wir uns bei der Europäischen Union dafür ein, dass Deserteure und Verweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine den notwendigen Schutz erhalten. Diese Forderung erheben wir mit fast 100 Organisationen aus 20 Ländern. In allen drei Ländern gibt es Zehntausende, die sich der Beteiligung am Krieg verweigern. Und wir müssen sehen: Desertion, Verweigerung und Befehlsverweigerung ist ein bedeutsamer Teil des Widerstandes gegen den Krieg. Es ist ein Akt der Selbstbestimmung und Humanität. Deserteure und Verweigerer sind Sand im Getriebe der Kriegsmaschinerie. Und das braucht unsere Unterstützung – über www.Connection-eV.org lässt sich die Kampagne unterstützen. Wir sammeln Unterschriften, die wir im März 2023 der Europäischen Kommission übergeben wollen. Wir weisen damit darauf hin, dass es ausser wohlwollenden Reden für Deserteure und Verweigerer aus Russland kaum echte Unterstützung für sie gibt. Nur wenige können Westeuropa erreichen, es ist in vielen Ländern völlig unklar, ob sie Asyl bekommen.

Wie viele ukrainische, russische und belarussische Soldaten sind schon desertiert?

Wir gehen davon aus, dass 150.000 Männer im militärdienstpflichtigen Alter Russland verlassen haben. Sie sind vor allem in die südlichen Nachbarstaaten geflohen, Kasachstan, Armenien, Georgien, auch in die Türkei. In einigen dieser Länder ist ihr Status höchst unsicher. In Belarus hatte schon früh die Organisation Nash Dom (Unser Haus) zur Verweigerung aufgerufen. Daraufhin flohen wohl etwa 22.000 belarussische Männer nach Litauen und Georgien. Wir haben vor wenigen Wochen die Statistiken des UNHCR analysiert und mit Erstaunen festgestellt, dass wohl mehr als 140.000 Männer, denen die Rekrutierung im Land droht, die Ukraine verlassen haben. Eine Abstimmung mit den Füssen, die zeigt, dass die Zustimmung zum Krieg auch in der Ukraine nicht so gross ist, wie uns die Medien vermitteln.

Wie geht es dem Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen über ganz Europa betrachtet?

In vielen Ländern des Europarates gibt es ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung, nicht aber in Aserbaidschan, Türkei und nun auch der Ukraine. Wir müssen sehen, dass in den meisten Ländern dieses Recht Soldaten und Reservisten verwehrt wird. Im Falle eines Krieges können diese also zum Militär eingezogen werden. Die Ukraine hat mit Kriegsbeginn das ohnehin restriktive Gesetz zur Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt. Es gab schon einige Verweigerer, die zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Und es wird immer mehr darüber nachgedacht, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Der Krieg in der Ukraine sorgt also auch in den westeuropäischen Staaten für eine starke Militarisierung, eine besorgniserregende Entwicklung.

Die Bilder des Kriegs in der Ukraine kommen auch über Social Media zu uns. Was macht das mit der Wahrnehmung des Kriegs?

In den Medien wird das Bild vermittelt, dass ein Krieg erfolgreich zu führen ist. Dabei geht völlig unter, was Krieg eben auch bedeutet: Zerstörung ganzer Städte,  Vertreibungen, Militarisierung der Gesellschaft, Zerstörung der zivilen Strukturen, Herrschaft der Gewalt. Nicht vergessen werden sollte zudem, dass auch viele Männer, die im Krieg waren, danach traumatisiert sind, eine grosse Hypothek für die Zeit danach.

Es gibt kaum ein Thema, das nicht mit Verweis auf den Ukraine-Krieg verschärft diskutiert wird. Was kann man dem entgegensetzen?

Derzeit sehe ich, dass auf allen Seiten der Krieg vorangetrieben wird. Das ist in höchstem Masse gefährlich. Eine Spirale der Eskalation kann unabsehbare Folgen haben. Und das muss auf jeden Fall verhindert werden. Es braucht also unbedingt Ausstiegszenarien aus diesem Krieg. Ich denke, dass die Verweigerer und Deserteure, aus welchem Land auch immer sie kommen, uns ganz exemplarisch und ganz persönlich zeigen, dass es einen anderen Weg ausserhalb der Gewaltspirale gibt. Deshalb ist es mir ein so grosses Anliegen, sie in jedem einzelnen Fall zu unterstützen. Sie sind diejenigen, die auch nach einem Krieg Alternativen aufzeigen können.