Es ist lange her, seit zum letzten Mal das Gewissen angehender Zivis geprüft wurde. Was bewegt junge Männer heute dazu, Zivildienst zu machen?
Es war an einer Party mit Jahrgängen 1995 bis 2000. Die Rede kam auf den Zivildienst. Es nahm mich wunder, wer Zivi ist und wer Soldat. Alle anwesenden Dienstpflichtigen machen Zivi. Das freute mich und ich fragte in die Runde, was die Motive dafür sind: «Flexibilität» und «Zu Hause schlafen» war zu hören, aber auch: «Das braucht keinen Grund, es ist mein gutes Recht!» – Nun bin ich der Letzte, der den Leuten das Gewissen prüft. Zu tief sitzt die Erinnerung an die eigene Gewissensprüfung, als der Staat sich erdreistete, meine Gedanken und Überzeugungen auf Widerspruchslosigkeit zu untersuchen. Einige Antworten der Partygäste fand ich trotzdem etwas fad. Toll war, dass keiner RS-Erfahrungen brauchte, um zu seiner Entscheidung zu kommen.
Damals, bei der Gewissensprüfung
Solche brauchte ich auch nicht. 1999 an der Aushebung bin ich zwar nicht gerade, wie Grunger-Kumpel Urs, sternhagelblau mit dem Regenschirm 12 Minuten lang durch die Gegend gestolpert, aber Stricke zerrissen habe ich auch keine. Ich sagte, ich mach eh Zivi, das ist mein Recht, warum muss ich hier rumturnen? Der Aushebungsoffizier wollte mich mit «Flab Trp Lwf Sdt (Stinger)» umstimmen. Erfolglos. Ich stellte meinen Antrag, Zivi werden zu dürfen. Dazu informierte ich mich bei Leuten, die es hinter sich hatten. Alle Kollegen, die mit der Wucht (manchmal: Wut) ihrer Überzeugungen an die Gewissensprüfung gegangen waren, wurden nie Zivis. Es blieb ihnen keine Wahl, als entweder gegen das eigene Gewissen zu handeln oder UT zu werden.
Engagierte Citoyens
Für mich war das keine Option – ich wollte gerne etwas an die Allgemeinheit zurückgeben. Damit war ich bei der Gewissensprüfung in einer potenziell heiklen Lage. Etwas zurückgeben zu wollen ist ja noch lange kein Gewissenskonflikt – und, hey, wer weiss, wie ich reagieren würde, wenn Bewaffnete meine Familie töten? Mit einigen Tränen war es möglich, auf solche Fragen nicht mit einem Wutanfall zu reagieren, der mich für jede x-beliebige Waffengattung prädestiniert hätte.
Aufgrund dieser Erfahrungen fragte ich mich nach der Party, ob ich das Recht habe, über die Beweggründe heutiger Zivis zu urteilen. Nein! Aber neugierig wurde ich schon durch die Antworten. Also meldete ich mich beim ZIVI-Infotag in Aarau an. Ich traf dort Rekruten, die nach 80 Prozent der RS die Sinnlosigkeit der Armee einsahen, junge Berufstätige und Studenten, aber auch einen Maturanden, der noch nicht abgeschlossen hat, sich trotzdem schon schlau machte – weil er einen Zivi-Einsatz machen will, in den er sich einbringen kann und der auch ihm etwas bringt. Es war ein breiter Schnitt durch die männliche Bevölkerung, der zeigt: der Zivildienst ist so beliebt, weil er die Leute ernst nimmt als engagierte Citoyens, die der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen.