Ausgleichskasse vs. Zivi

Nach Ausbildungsabschluss eine angemessene EO-Entschädigung zu erhalten, ist schwer, schreibt Lukas Sägesser.

Als ich im April mein Studium abschloss, plante ich im Anschluss einen Zivildiensteinsatz. Viele Zivis tun das genauso, denn der Zeitpunkt ist günstig: es ist oft die letzte Gelegenheit Zivildienst zu leisten, ohne im Job zu fehlen. Zudem ist es ein Tapetenwechsel nach der Ausbildung. Der Zeitpunkt ist auch finanziell interessant, denn obwohl man noch nie auf dem erlernten Beruf gearbeitet hat, erhält man Erwerbsersatz aufgrund des üblichen Anfangslohns im jeweiligen Beruf. Doch dass Letzteres auch so umgesetzt wird, ist in der Praxis nicht selbstverständlich, wie ich am eigenen Leib erfahren musste. Meine erste EO-Überweisung war viel geringer, als ich kalkuliert hatte. Als ich zu Hause die Abrechnung öffnete, bestätigte sich: man hatte mir nur den Mindestansatz (62 CHF/Diensttag), verrechnet. Um das zu klären, meldete ich mich bei der zuständigen Ausgleichskasse Solothurn (AKSO). Dort erklärte man mir, dass in meinem Fall nicht die soeben abgeschlossene Ausbildung ausschlaggebend sei, sondern der Nebenerwerb, den ich bis 6 Monate vor dem Einsatz hatte. Mit einem Teilzeitpensum (40%), das in der EO nicht auf Vollzeit hochgerechnet wird, belief sich der resultierende Anspruch nur noch auf den Mindestansatz. Die AKSO stellte sich also auf den Standpunkt, dass meine Arbeit neben dem Studium mich von der Anrechnung eines üblichen Anfangslohns disqualifizierte. Die zuständige Sachbearbeiterin stimmte mir am Telefon zu, dass dies keinen Sinn ergebe, aber so seien nun mal die Regeln.

Was auf den ersten Blick keinen Sinn ergab, tat es auch auf den zweiten nicht. Ich las mich in die Rechtsgrundlage ein, d.h. in das Erwerbsersatzgesetz (EOG), die Erwerbsersatzverordnung (EOV) und die Wegleitung zur EOV (WEO). Davon eine Kurzversion: Grundsätzlich beträgt die EO-Entschädigung 80% des entgangenen Einkommens. Bei Erwerbstätigen ist dies der aktuelle Lohn, bzw. der letzte Monatslohn, wenn der Dienstleistende in den letzten 12 Monaten erwerbstätig war. Ein Sonderfall besteht, wenn er unmittelbar vor dem Dienst eine Ausbildung abschliesst. Dann wird angenommen, dass er einen Job auf dem erlernten Beruf angenommen hätte, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Eine Bestimmung, dass dies nicht für Studenten mit Nebenerwerb gelten sollte, findet sich in EOG, EOV oder WEO nicht. Das sollte auch nicht überraschen, da ja niemand Studenten bestrafen will, die sich an der Finanzierung ihrer eigenen Ausbildung beteiligen.

Konfrontiert mit meiner Interpretation beharrte die AKSO auf ihrem Standpunkt und forderte mich auf, konkrete Belege für ein entgangenes Einkommen zu präsentieren, namentlich Schreiben von Firmen, mit dem Einsatz als Absagegrund. Die AKSO kehrte damit die Beweislast um und stellte eine Forderung, von der sie ausgehen musste, dass ich sie nicht erfüllen konnte. Denn der Einsatz war längst organisiert, als ich meine Bewerbungen schrieb.

Ich weigerte mich, die geforderten Belege zu liefern, mit Verweis auf die Beweislast, und forderte die Ausstellung einer anfechtbaren Verfügung. Die letzte E-Mail sandte ich im CC auch an die übergeordnete kantonale Stelle. Ob dies irgendeinen Einfluss hatte, werde ich wohl nie erfahren. Jedenfalls erhielt ich knapp zwei Wochen später einen Brief, mit welchem mir die AKSO ohne Verweis auf den vorangegangenen Austausch einen angebrachten Anfangslohn anrechnete.

Der Erwerbsersatz ist auf Bundesebene geregelt. Umgesetzt wird er aber von den Kantonen. So kann sich die Auslegung in konkreten Fällen stark unterscheiden. Wenn dann die Regeln wie in diesem Fall so interpretiert werden, dass sie m.E. offensichtlich ihrem eigenen Sinn und Zweck widersprechen, hinterlässt dies ungute Gefühle. Die Entschädigung eines Zivis sollte nicht von seiner Kenntnis der Rechtsgrundlage abhängen.

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