Freiwilligenarbeit, per App organisiert

Ausserordentliche Lage, grosse Hilfsbereitschaft: «Five up» hilft beim Organisieren. Von Gregor Szyndler

Noch vor wenigen Monaten klang der Begriff «gesellschaftliche Resilienz» abstrakt. Jakub Samochowiec definierte ihn in LMC 19/04 wie folgt: «Die Fähigkeit einer Gesellschaft, auf Notlagen und Stress zu reagieren. Wichtig sind soziale Strukturen. […] Weil traditionelle Strukturen wegfallen, müssen neue entstehen. Dazu braucht es Freiräume, damit neue Freiwillige gemeinsam Dinge informell auf die Beine stellen können.» Falls es Beispiele für gelingende informelle Freiwilligenarbeit gebraucht hätte, lieferte die ausserordentliche Corona-Lage sie: Nachbarschaftshilfen organisieren sich im WWW oder auf in Türen eingeklemmten Flyers, man hilft einander beim Einkauf und bei der Kinderbetreuung und auf den für einmal tatsächlich sozialen Medien sorgen Lesungen und Konzerte für Ablenkung vom Lockdown-Blues.

Hilfe, rasch und unkompliziert

Hilfswillige und Hilfsbedürftige werden auch von der App «Five up» miteinander verbunden. Dahinter stehen unter anderem die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft  und das Schweizerische Rote Kreuz. Auf Five up schreiben Hilfsbereite Angebote aus wie: «Ich gehe für euch einkaufen», «Entsorge eure leeren Flaschen» oder «Begleite sozial benachteiligte Wohnungs-
suchende». Es gibt die App seit März 2019. Im Zuge der Corona-Krise kamen mehr als 50'000 Leute dazu: «Vor der Krise haben mehr Leute nach Hilfe gesucht», sagt Five-up-CEO Maximiliane Basile: «Jetzt aber sind die Hilfswilligen in der Mehrzahl.»

Damit Five up  möglichst zukunftsfit und auf Augenhöhe mit der technologischen Entwicklung bleibt, steht eine AG dahinter, kein Verein: «Wir wollen keine Plattform sein, die rasch verstaubt», sagt Basile. «Unterhalt und Weiterentwicklung einer solchen App sind sehr teuer. Das ist nur zu stemmen, wenn auch die Wirtschaft mitzieht.»

Momentan sei man vor allem daran, die ausserordentliche Lage zu meistern (etwa durch eine Desktop-Version und eine Verbesserung der App-Nutzung). Spätere Entwicklungsschritte werden u. a. ein kostenpflichtiger Zugang zur Plattform für Organisationen mit erweiterten Funktionalitäten sein, damit der formelle und informelle Bereich gegenseitig vom Wert einer grossen Community sowie einem guten digitalen Tool profitieren können.

Schnittstellenfunktion

Und wie ist Five up in die bereits existierenden Projekte der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) eingebettet? «Die SGG erforscht und fördert bisher vorwiegend formelle Freiwilligenarbeit in Organisationen. Mit Five up kann die informelle Freiwilligenarbeit in der Nachbarschaft nun leichter erforscht und so gezielt gefördert werden. Five up verbindet verschiedene Formen der Freiwilligenarbeit und spricht die Millennials an», sagt Lukas Niederberger, Geschäftsleiter der SGG. «Es ist gut möglich, dass Leute, die sich heute in der Nachbarschaftshilfe engagieren, dadurch Lust bekommen, auch nach Corona aktiv zu sein – vielleicht für ein Hilfswerk oder eine NGO.»

Viele Partnernetzwerke

Und was hat sich im tagtäglichen Betrieb von Five up seit Ausrufung der ausserordentlichen Lage geändert? «Wir wurden eine Zeitlang von Anmeldungen überflutet. Der Rekord lag bei 34'000 Anmeldungen in einer Woche. Glücklicherweise hatten wir die Kapazitäten und die Infrastruktur, um diese zu bearbeiten», sagt Maximiliane Basile. Es wurden aber auch gezielt neue Unterstützer aus dem Stiftungs- und Firmenbereich gesucht, damit rasch und gezielt auf die Herausforderung reagiert werden konnte. Es entstanden ausserdem Partnernetzwerke wie Solidarite.online oder Zamadihei.ch. Diese nutzen zwar die Five-up-Infrastruktur, sind aber unabhängige, regionale Netzwerke. Auch Pro Juventute, der schweizerische Musikrat und verschiedene kantonale Sportämter gehören zum Partnernetzwerk.

Auf diesen Netzwerkeffekt setzt Five up, wenn es darum geht, die kritische Masse Beteiligter über Corona hinaus zu halten. «Für unsere Plattform wird es entscheidend sein, ob genug Leute die Nutzung der App nach dem Virus zur Gewohnheit machen», sagt Basile. Nur dann kann die App langfristig dazu beitragen, dass das Organisieren von Freiwilligen-Arbeit  einfacher wird. Dass sich unkomplizierte Freiräume bilden, in denen Hilfe organisiert werden kann. Wenn die Plattform nach der momentanen Hilfs-Welle genug Freiwilligen-Organisationen, Hilfsbedürftige und Hilfsbereite zusammenbringt, kann sie weiter bestehen.

«Five up»-App kann im App Store oder bei Google Play heruntergeladen werden. Auf www.fiveup.org finden sich weitere Angaben  zur App. Ebenfalls unter dieser Adresse finden sich die wichtigsten Corona-bezogenen Informationen  zu den Hilfseinsätzen sowie eine Telefonnummer für Menschen  aus der Risikogruppe, die kein Smartphone haben.