Der Zivildienst leidet unter der Armee

Der zivile Ersatzdienst steht wieder verstärkt im Fokus der politischen Debatte. In der Bevölkerung hingegen ist er breit akzeptiert.

Gleich bei seinem ersten Auftritt nach seiner Ernennung machte der neue Armeechef Philippe Rebord klar, wo seiner Ansicht nach die grösste Gefahr für die Armee lauert: «Der Zivildienst ist zu attraktiv.» Die Armee, so seine Befürchtung, könnte künftig nicht mehr genügend Soldaten haben. Damit widersprach Rebord dem Bundesrat, der in mehreren Berichten festgehalten hatte, dass der Zivildienst die Armeebestände nicht gefährdet.

Der Armeechef ist nicht der einzige, der auf den Zivildienst zielt. In den letzten Monaten sind im Parlament einige Vorstösse zum Zivildienst eingereicht worden. SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor will vom Bundesrat wissen, ob die «Belastung» der Zivildienstleistenden gleich gross sei wie die von Soldaten. Eine Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats will die Vollzugsstelle für den Zivildienst vom Volkswirtschafts- ins Militärdepartement zügeln. Und die gleiche Kommission fordert, dass Armeeangehörigen, die zum Zivildienst wechseln, nur noch die Hälfte der bereits geleisteten Tage angerechnet werden.

Auf den ersten Blick überrascht die hohe Aktivität der Parlamentarier. Eigentlich sind im Zusammenhang mit dem Zivildienst die zwei grössten Zankäpfel der letzten Jahre erledigt: Das neue Zivildienstgesetz, 2015 vom Parlament verabschiedet, ist seit Juni 2016 in Kraft. Und ebenfalls im Sommer veröffentlichte die vom VBS eingesetzte Studiengruppe Dienstpflichtsystem ihren Abschlussbericht. Bezüglich des Zivildiensts sah sie keinen grundsätzlichen Bedarf zur Anpassung der geltenden Regeln.

Raus aus der Armee

Warum steht der Zivildienst dennoch weiterhin und sogar noch stärker im Fokus der politischen Debatte? Eine mögliche Erklärung sind die eidgenössischen Wahlen 2015: Der Rechtsrutsch hat die zivildienstkritischen Kräfte im Nationalrat gestärkt. Zwar sind grundsätzliche Anpassungen am heutigen Dienstpflichtsystem (etwa wie die Wiedereinführung der Gewissensprüfung) unrealistisch. Innerhalb von SVP, FDP und CVP werden aber immer wieder Forderungen nach höheren Hürden für Zivildienstleistende erhoben. Mit der Weiterentwicklung der Armee (WEA) wird der Sollbestand der Armee auf 100’000 Mann reduziert. Dennoch befürchten viele in der Armee, dass künftig nicht genug Soldaten rekrutiert werden können, zumal die Zahl der jährlichen Zulassungen zum Zivildienst seit 2011 konstant gestiegen ist auf 6169. Allerdings ist die Zahl der Zulassungen nach wie vor deutlich kleiner als die Zahl der Dienstuntauglichen.

Beat Flach, GLP-Nationalrat und Mitglied der SiK, hält eine Erhöhung der Zulassungshürde zum Zivildienst für den falschen Weg; das Problem liegt aus seiner Sicht bei der Armee.  «Es gibt viele Leute, die aus dem WK zurückkommen und sich darüber ärgern, wieder drei Wochen sinnlos vergeudet zu haben.» Der Zivildienst erscheine vielen als sinnvollere Alternative. Besonders schmerzhaft ist aus Armee-Sicht, dass viele Soldaten, die man gerne in die Kaderausbildung schicken würde, zum Zivildienst wechseln. Tatsächlich reichen mehr als die Hälfte der Zivis ihr Gesuch während oder nach der Rekrutenschule ein. Nur 45 Prozent der Zulassungen erfolgen vor der RS.

Nicht der Zivildienst gefährde die Armee, sagt Flach. «Die Armee gefährdet sich selber.» Sie sollte sich besser überlegen, wie sie den Militärdienst für Junge attraktiver machen könnte, findet auch SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf.

Diskrepanz zur Bevölkerung

Erstaunlich ist der anhaltende Druck auf den Zivildienst auch angesichts der Tatsache,  dass er in der Bevölkerung breite Anerkennung geniesst. Dies zeigte eine 2015 durch die Vollzugsstelle in Auftrag gegebene Umfrage, die erstmals eine grössere Zahl von Personen zum Zivildienst befragte. Von den 1000 Befragten sehen drei Viertel im Zivildienst einen Nutzen für die Gesellschaft. Sie assoziierten den Zivildienst mit Begriffen wie «nützlich», «sinnvoll» oder «gute Sache». Leider sind bei vielen Politikern die Assoziationen gänzlich andere.

Von Lukas Leuzinger