Nicola Goepfert hört als CIVIVA-Geschäftsführer auf
Du bist seit fast acht Jahren Geschäftsleiter von CIVIVA. Was war deine grösste Herausforderung?
Dass der Zivildienst so tief in der Gesellschaft verankert ist und sehr geschätzt wird, im Parlament aber bei vielen Leuten eine andere Zeit herrscht. Die meisten Zivildienstgegner sind Bürgerliche mit militärischem Hintergrund. Da war es oft schwer, sachlich und mit fundierten Argumenten dagegenzuhalten.
Was war die am meisten schockierende Anti-Zivildienstforderung, mit der du in deiner Zeit konfrontiert wurdest?
Dass es 2022 noch Leute gibt, die auf eine Wiedereinführung der Gewissensprüfung hinarbeiten, finde ich trotz allen gegenteiligen Erfahrungen erschreckend. Aber auch die neuste Forderung aus der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates schockierte mich sehr. Diese kommt einer Abschaffung des Zivildienstes gleich.
Gab es etwas, das dir dabei geholfen hat, solche Angriffe zu parieren?
Ja. Es war immer beruhigend, dass die Fakten und Berichte zum Zivildienst bei genauer Lektüre den Angriffen standhielten. Andererseits war es eine Herausforderung, Leuten, die nicht so tief im Thema «Zivildienst» oder «Dienstpflichtsystem» drinnen sind, zu erklären, mit welchen Kniffs und Tricks die Armee beispielsweise ihre Bestände kleinrechnet. Ein so komplexes System wie die Dienstpflicht anschaulich zu vermitteln, ist wirklich eine Herausforderung.
Du hast CIVIVA und den Zivildienst an Podien oder in Kommissionen etc. vertreten. Ist dir ein Erlebnis besonders in Erinnerung geblieben?
(Lacht.) Oh ja. Gerade kürzlich war ich in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Das war vielleicht ein Abschluss meiner 7,5 Jahren Lobbyarbeit! Ich sass zwischen Vertretern der Arbeitgeber, der Offiziersgesellschaft, des Zivilschutzverbands und der Militärdirektorenkonferenz und vertrat den Zivildienst.
Was sagst du zur nach dieser Sitzung verabschiedeten SiK-N-Motion mit der Forderung nach Integration des Zivildiensts in den Zivilschutz? (S. 5)
Das war eine spontane Hauruckübung – und kam sehr überraschend. Der Bundesrat prüft dieses Modell momentan ja sowieso! Mir kommt das unausgegoren und unüberlegt vor, nach dem Motto: Hauptsache, man schadet dem Zivildienst.
Was muss CIVIVA tun, um die Umsetzung solcher Forderungen zu verhindern?
Bisher waren wir glücklicherweise jeweils mit sachlichen Argumenten und guter Überzeugungsarbeit erfolgreich. Und sei es erst in der Schlussabstimmung, bevor ein neues Gesetz verabschiedet wird. So war es auch im Juni 2020, als das Parlament beinahe massive Verschärfungen beim Zivildienst beschlossen hatte.
Wenn du auf einen Knopf drücken könntest – wie würde der Zivildienst der Zukunft ausschauen?
Es gäbe keine Dienstpflicht mehr, keine Pflicht zum Militärdienst, dafür einen freiwilligen Zivildienst für alle. Und der Zivilschutz untersteht dem Zivildienst.
Du warst bei CIVIVA auch für Presseanfragen da: Musstest du da oft den Unterschied zwischen Zivildienst und Zivilschutz erklären?
(Lacht.) Also das war definitiv ein Teil vom Pflichtenheft. Nicht nur Journalist:innen musste ich es immer wieder erklären, auch auf Podien und sogar im Rahmen der damaligen «Studiengruppe Dienstpflichsystem». Selbst dort musste ich immer wieder Grundlegendes erklären: Dass der Tatbeweis eine Strafe für den Gewissenskonflikt ist, keine «Kompensation» für den angeblich zu «legeren» Zivildienst. Viele Anti-Zivildienst-Hardliner sagen ja: «Du kannst frei wählen!» Nein, kannst du nicht! Du kannst nur frei wählen, für deinen Gewissenskonflikt mit dem Faktor 1,5 bestraft zu werden – eine Zeit, in der du bei der Arbeit, in der Familie oder im Studium fehlen wirst.
Wie hast du die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Zivildienst ZIVI erlebt?
Manchmal habe ich mir mehr öffentliche Unterstützung des Zivildiensts durchs Bundesamt gewünscht. Die 2020 abgelehnte ZDG-Revision kam ja direkt vom Bundesamt und hatte eine Schwächung des Zivildiensts und die Einführung von Rechtsungleichheiten zum Ziel. Auf persönlicher Ebene hatten wir immer einen guten Austausch und konnten immer offen miteinander reden. Inhaltlich wurde es über die Jahre jedoch schwieriger.
Wo warst du überall Zivi?
Bei der Schweizer Tafel und bei einem Mittagstisch für Primarschulkinder. Weil ich früher in der Pfadi war und Kurse geleitet habe, hat mir die tägliche Arbeit mit den Kindern echt Freude gemacht. Das waren tolle 9 Monate!
Was sind deine nächsten Schritte und Projekte?
Ich werde beim VPOD Basel die Kommunikation und Kampagnen leiten. Ich freue mich auf diese neue Aufgabe und darauf, den Fokus auf Basel zu legen. Ausserdem bin ich Grossrat und Co-Präsident der Anlaufstelle Sans-Papiers Basel.
Lieber Nicola, viel Glück und Freude in deiner Zukunft und danke für deine tolle Arbeit und dein Engagement!
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