«Bereits jetzt ist es schwierig, Zivis zu finden»

Ob beim Sozialwerk Pfarrer Sieber, bei Pro Natura oder im Schlössli Pieterlen – die Einsatzbetriebe (EiB) sind grundsätzlich zufrieden mit den Zivis, der ZIVI-Stelle und der Plattform E-Zivi. Die geplante Senkung der Zivi-Zahlen macht einigen EiB aber Sorgen.

Mehr als 100 Zivis haben seit Ende der 90er-Jahre auf dem Buechehof oberhalb von Lostorf (SO) Einsätze geleistet. Die sozialtherapeutische Einrichtung für erwachsene Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung bietet Wohnen und Arbeiten für 50 Betreute und rund 100 Mitarbeitende an. «Mich stimmt die Zusammenarbeit mit diesen jungen, motivierten Zivis hoffnungsvoll. Ich wünschte, ich hätte in den 80er-Jahren diese Möglichkeit gehabt», sagt Andreas Schmid, Gesamtleiter auf dem Buechehof.

Bereicherung und Abwechslung
Das Schlössli Pieterlen, ein Haus für Betagte in Pieterlen (BE), beschäftigt seit dem Oktober 1997 Zivildienstleistende, wie Tobias Schwab von der Administration mitteilt: «Der Einsatz von motivierten Zivis bedeutet für unseren Betrieb eine Bereicherung und Abwechslung.»

Beim Sozialwerk Pfarrer Sieber (SWS) sind Zivis in diversen Einrichtungen im Einsatz. Im Rehazentrum Sunedörfli leisten sie Unterstützung und Entlastung bei der Klientenbegleitung und erledigen Routinearbeiten in der Hauswirtschaft. In der Notschlafstelle Pfuusbus verrichten sie Arbeiten, die sonst Mitarbeiter erledigen müssten, wodurch das Sozialwerk Zeit und Geld sparen kann. Im Fachspital Sune-Egge helfen sie Patienten beim Essen und der Körperpflege, begleiten sie auf Spaziergängen oder helfen bei der Hauswirtschaft oder bei der Organisation von Anlässen mit. «Die vielen Einsatzmöglichkeiten sind für uns besonders wertvoll», sagt Walter von Arburg, Kommunikationsbeauftragter beim SWS.

Förderung der Inklusion
Pro Infirmis, die Fachorganisation für Behindertenhilfe, engagiert Zivis in Tagesstätten, im Entlastungsdienst durch Freiwillige, bei Freizeitbegleitung und bei Transporten. «Der Aufgaben der Zivis betreffen Dienstleistungen und Projekte zur Förderung der Inklusion von Behinderten, die ohne ihre Unterstützung nicht gleich gut geleistet werden könnten», erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Gisella Dufey Hinch.
Bei Pro Natura, der ältesten Naturschutzorganisation der Schweiz, helfen Zivis vor allem in Naturschutzgebieten mit. Deren Pflege ist mit sehr viel Handarbeit verbunden, wie Urs Tester, Abteilungsleiter Biotope und Arten, ausführt. Man mäht, schneidet Büsche zurück, reisst invasive gebietsfremde Pflanzen aus, stellt Weidezäune auf usw.

Ungleichbehandlung zum Militär
Mit der ZIVI-Stelle arbeiten die angefragten Einsatzbetriebe (EiB) sehr gut zusammen, die allermeisten sind aktuell zufrieden. «Es muss sich nichts ändern», heisst es von vielen. Kritischer äussert sich Andreas Schmid vom Buechehof. «Mich stört die Ungleichbehandlung zum Militär.» Weil der Infotag über den Zivildienst vor dem Zulassungsentscheid stattfinde, müssten Interessierte – im Gegensatz zum Militär – Freizeit opfern. «Anstatt den Leuten Attraktivität und Vielseitigkeit des Zivildiensts zu zeigen und ihnen Entscheidungsgrundlagen zu geben, werden sie überhäuft mit technischen Details», erklärt Schmid.

«Schon schwierig, Zivis zu finden»
Auch mit der Plattform E-Zivi sind die EiB im Grundsatz zufrieden. «E-Zivi ist ein gutes Instrument, es darf aber noch anwenderfreundlicher werden», sagt Tobias Schwab vom Schlössli Pieterlen. Auch im Sozialwerk Pfarrer Sieber sind die meisten Institutionen mit E-Zivi «sehr zufrieden» und sehen die Plattform als «informativ und hilfreich». Vereinzelt heisst es aber, auf E-Zivi liessen sich Dokumente zum Teil nicht abspeichern.

Sorgen haben die EiB wegen der geplanten Senkung der Zivi-Zahlen. «Für uns würde der Aufwand steigen», meint das Sune-Dörfli, das Rehabilitationszentrum von Pfarrer Sieber. «Wir gehen davon aus und hoffen, dass sich nicht allzu viel ändert und wir weiterhin motivierte Zivildienstleistende bei uns einsetzen können», teilt das Schlössli Pieterlen mit. «Bereits jetzt ist es schwierig, Zivis zu finden», sorgt sich Gisella Dufey Hinch von Pro Infirmis.

Urs Tester von Pro Natura betont, für die Pflege und die Betreuung von Naturschutzgebieten sei zu wenig Geld vorhanden. Ohne Zivis wären Massnahmen gegen invasive Pflanzen kaum mehr realisierbar. «Besonders in grossen Pro-Natura-Schutzgebieten wie Immenberg, Baldeggersee oder Grande Cariçaie wäre das Fehlen der Zivis spürbar.»

Negative Auswirkungen befürchtet auch Walter von Arburg vom Sozialwerk Pfarrer Sieber. In der Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli werden weniger Zivi-Einsätze erwartet, ebenfalls im Gassencafé Sunestube. «Falls wir die Zivi-Stellen nicht besetzen können, müssen wir das Konzept überdenken.»

Rolf Zenklusen