Zivildienst-Referendum: Was bisher geschah

Ruedi Tobler über den Stand der Dinge punkto ZDG-Revision. Ein Artikel aus der «Friedenszeitung».

Über die Angriffe der geistig im Kalten Krieg steckengebliebenen Militärköpfe auf den Zivildienst mussten wir in den letzten Jahren immer wieder berichten und im letzten Jahr über das unsägliche Revisionsprojekt, mit dem der Zivildienst unattraktiver gemacht werden soll. Wie es zur jetzigen Situation betreffend Revision Zivildienstgesetz (ZDG) kommen konnte, wird im Folgenden nachgezeichnet. Die Botschaft des Bundesrates (19.020) datiert vom 20. Februar 2019. Hier noch einmal die geplanten Verschärfungen.

1) Mindestanzahl von 150 Diensttagen
Soldaten, die weniger als 100 Tage zu leisten hätten, werden gezielt bestraft.

2) Wartefrist von 12 Monaten
Soldaten, die nach der RS Zivis werden wollen, müssen noch ein Jahr ihre Militärdienstpflicht erfüllen.

3) Faktor 1,5 für Unteroffiziere und Offiziere
Angesichts der längeren Dienstleistung dieser Kategorien gilt bislang ein Faktor 1,1; es soll gezielt abgeschreckt werden.

4) Keine Einsätze, die ein Human-, Zahn- oder Veterinärmedizinstudium erfordern
Ärzte sollen abgeschreckt werden, Zivis zu werden  und einen sinnvollen Einsatz im Gesundheitswesen zu leisten.

5) Keine Zulassung von Angehörigen der Armee mit 0 Restdiensttagen
Damit wird allen Aktiv-, Assistenz- und ausserdienstlich Schiesspflichtigen das Recht auf Gewissensentscheid abgesprochen.

6) Jährliche Einsatzpflicht ab Zulassung
Mit dieser Schikane soll verhindert werden, dass Einsätze sinnvoll in berufliche und familiäre Verpflichtungen eingeplant werden  können.

7) Pflicht, den langen Einsatz spätestens im Kalenderjahr nach rechtskräftiger Zulassung abzuschliessen, wenn das Gesuch während der RS gestellt wird
Mit dieser Schikane wird es Absolventen der Sommer-RS fast unmöglich, den ersten Einsatz mit anderen Verpflichtungen zu vereinbaren.

8) Keine Einsätze im Ausland
Damit soll eine angebliche Bevorzugung der Zivis behoben werden, da Militärdienst nicht im Ausland geleistet werden könne. Das ist eine unglaubliche Geringschätzung der Beteiligung von Schweizer Soldaten an Blauhelmeinsätzen im Rahmen der UNO und OSZE, die zeigt, wie wenig die Verantwortlichen im VBS die Mitgliedschaft der Schweiz in der UNO ernst nehmen.

Rufe nach Gewissensprüfung
Während der Behandlung der Revisionsvorlage in der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates intervenierte die «Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr» (RKMZF), die schon in der Vernehmlassung zur Zivildienstgesetzes-Revision massive Verschärfungen bis hin zur Wiedereinführung einer Gewissensprüfung verlangt hatte, mit der Forderung, eine Arbeitsgruppe von Bund und Kantonen solle die Möglichkeiten prüfen, wie der Zivildienst in den Zivilschutz integriert werden könne. Mit deutlicher Mehrheit verschob die Kommission darauf am 23. Mai 2019 die Behandlung der Gesetzesrevision und verhinderte damit, dass die Unterschriftensammlung für das Referendum in die Zeit des Wahlkampfs für die eidgenössischen Wahlen gefallen wäre. Am 16. August nahm die Kommission des Geschäft wieder auf, nachdem sie sich mit der RKMZF darauf geeinigt hatte, die als dringlich erachtete Zivildienstgesetz-Revision von der Frage der Zusammenlegung von Militär und Zivilschutz zu trennen.

Sitzung im alter Zusammensetzung
Am 11. September 2019 stimmte der Ständerat der Revision deutlich mit 26 gegen 11 Stimmen, bei 2 Enthaltungen zu. Gemäss dem Antrag seiner Kommission hatte er die Massnahme 8 (Streichung der Auslandeinsätze) ohne Abstimmung abgelehnt.
Eine gute Woche nach den Nationalratswahlen, die ja deutliche Verschiebungen in der Sitzverteilung gebracht hatten, behandelte die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates am 29. Oktober noch in alter Zusammensetzung die Revision des Zivildienstgesetzes. Sie stimmte allen acht Verschärfungen deutlich zu, auch dem vom Ständerat abgelehnten Verbot von Auslandeinsätzen. Am 18. Dezember 2019 behandelte der Nationalrat (in neuer Zusammensetzung) die Revision. Ein Nichteintretensantrag scheiterte nur knapp mit 93 gegen 97 Stimmen, bei 6 Enthaltungen (3 FDP, 2 CVP, 1 GLP). Die Streichung der Auslandseinsätze lehnte er mit 97 gegen 95 Stimmen, bei 2 Enthaltungen, wie schon zuvor der Ständerat ab. Zudem lehnte er recht deutlich die Wartefrist von 12 Monaten ab, mit 123 gegen 68 Stimmen, bei 3 Enthaltungen. Diese Massnahme lehnten zusätzlich zu SP, Grünen und Grünliberalen auch die grosse Mehrheit der Mitte-Fraktion und gut die Hälfte der FDP ab. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 102 gegen 92 Stimmen, bei einer Enthaltung, angenommen. Damit war eine Differenz zum Ständerat geschaffen. Am 28. Januar hat die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats die Frage behandelt. Sie will deutlich mit 10 gegen 3 Stimmen an der Wartefrist festhalten. Da scheint die Skepsis, die sich im Nationalrat bei der Mitte und FDP gezeigt hatte, nicht auf die Ständeräte abgefärbt zu haben. Das Geschäft hätte im März besprochen werden sollen. Corona machte uns dann einen Strich durch die Rechnung.