Meine ersten zwanzig Jahre Zivildienst

Seit der Einführung gehört der Zivildienst zu seinem Leben – sei es im Einsatz oder in der Verbandsarbeit. Das Träumen hat er nicht verlernt, schreibt Stephan Meier – und blickt nach vorne.

Es war 1997, das Jahr des internationalen Schülerstreiks zur atomaren Abrüstung. Mit drei Mitgliedern des schweizerischen Organisationskomitees unterschrieb ich eine Erklärung, in der wir uns zum Zivildienst verpflichteten. Seither gehört der Zivildienst zu meiner festen Orientierung im Leben. Die Gewissensprüfung war ein grosser Stress. Bei der Rekrutierung gab es einen Oberst, der es als seine Aufgabe sah, die Gewissensprüfung gleich selbst vorzunehmen. Nicht dass ich sie ablehnte, nur ob meiner tiefen Überzeugung Glauben geschenkt würde, wusste ich ja nicht. Also ging ich in eine Selbsthilfegruppe, die von «Armymuffel», der Berner Militärdienstverweigerungs-Beratungstelle, organisiert wurde. Wir spielten eins nach dem anderen die Anhörung durch. Und dann kurz nach meiner Matura kam der Brief: ich war zugelassen! Ein toller Tag, ein Tag der Erleichterung.

Dann kam die Qual der Wahl. Nach einem freiwilligen Jahr in den Kommunen von Longo Maï wollte ich nichts allzu Politisches. In der Jugendherberge von Délémont dann fragte ich mich aber, ob eine sich dem Markt unterwerfende Struktur wirklich Zivis verdient. Solche Grundsatzfragen interessierten mich.

Super, dass ich bald eine Anfrage zur Mitgründung eines Vereins von Schweizer Zivis erhielt. Wir waren siebzig Leute, die sich zur Gründung der Gesellschaft schweizerischer Zivildienstleistender (GSZ) trafen. Einen Moment lang schienen unsere Diskussionen die Welt zu bewegen. Die Frage war, ob wir uns über den Zivildienst hinaus politisch für Friedenspolitik einsetzen sollten. Wir entschieden mit knapper Mehrheit, in den Statuten nur den Zivildienst zu erwähnen.

Die Regionalgruppe überlebte ihr Gründungsjahr nicht, ein paar Kontakte hingegen schon. Zumindest bewirkte die GSZ einen Kurs in gewaltfreier Konfliktlösung in den Zivi-Ausbildungen und feierte die zehn Jahre ZDG mit einem schönen Buch. Die letzte grosse Tat, an der wir mitwirkten, war die Gründung des Dachverbandes CIVIVA 2010. Nach der Abschaffung der Gewissensprüfung 2009 hatten wir Heiner Studer, der diesen Stein ins Rollen gebracht hatte, gefragt, ob er Präsident werden wolle. Zur Freude der beteiligten Organisationen wollte er! Anders als die GSZ war CIVIVA von Anfang an gut politisch vernetzt und konnte auf die Meinungsbildung im Parlament einwirken. So boten wir dem Druck rechtskonservativer Kräfte mit Kompetenz, Leidenschaft und Engagement die Stirn. Es war viel Sachpolitik und Überzeugungsarbeit; es ging um den Tatbeweis oder um die Anerkennung der Schuleinsätze. Der Versuch, den Zivildienst zum friedenspolitischen Instrument zu machen, scheiterte leider. Und mein Leben forderte zusehends andere Prioritäten. Je wichtiger mein Beruf wurde, desto weniger durchgearbeitete Nächte waren möglich.

Das Träumen habe ich trotzdem nicht verlernt. Eines Tages werden Zivis nicht mehr als Militärdienstverweigerer, sondern als Friedensspezialisten gesehen. Dann erkennt die Schweiz, dass wir Konflikte nicht mit menschenverachtenden Plakaten und Dumping-Steuergeschenken an internationale Firmen schüren sollten, sondern sie mit gut ausgebildeten Fachkräften und zur Verfügung gestellten Mitteln lösen müssen. Irgendwann werden die Kinder kaum noch verstehen, was diese «Armee», die sie nur noch aus den Geschichtsbüchern kennen, eigentlich einmal war.