Südkorea ohne echten Alternativdienst

Bruno und Heidi Sägesser berichten von ihrer dritten Korea-Reise und der Lage der südkoreanischen Kriegsdienst-Verweigerer (KDV).

Ihr seid, seit 2008, zum dritten Mal nach Korea gereist, um, unter anderem, KDV zu treffen. Was hat sich seit eurem ersten Besuch geändert?
BRUNO: Die Situation für KDV ist enorm schwierig. Trotzdem sehen wir kleine Schritte, die vorwärts gehen. 2015 besuchten wir zwei KDV während ihrer 18-monatigen Gefängniszeit. Wir redeten mit ihnen jeweils genau zehn Minuten, über Mikrofon durch Gitter und Panzerglas. 2017 gab es in Korea ein Gerichtsurteil, das bis Dezember 2019 die Einführung eines Alternativdienstes verlangte. Dies erlebten wir als Fortschritt. Nun liegt ein erster Regierungsvorschlag auf dem Tisch: KDV sollen als Alternativdienst 36 Monate als «Gefängnisgehilfen» arbeiten und im Gefängnis «wohnen». Das ist definitiv noch kein Durchbruch!

Welche Fragen wurden euch gestellt?
B: In den letzten 12 Jahren haben uns 120 südkoreanische Menschen in der Schweiz besucht. Diese kennen unsere ablehnende Haltung zu militärischer Gewalt. An einer Friedenskonferenz im Oktober 2018 hielten wir einen Vortrag. Wir wurden angefragt, über den Weg des Zivildienstes in der Schweiz zu erzählen, den wir seit 1972 begleiten. Das war wirklich schön.

Wie stark ist die soziale Ächtung verurteilter Verweigerer?
B: Korea ist ein enges Land, mit der militarisierten Grenze im Norden und sonst überall mit Meeresgrenzen. Das spiegelt sich im engen Denkmuster vieler südkoreanischen Menschen. Die KDV haben es sehr schwer, zum Beispiel bei der Arbeitssuche.
HEIDI: Da tönt es schnell: «Geh doch nach Nordkorea!» Und dass man als KDV dem Kommunismus helfen würde.
B: Wir trafen einen Verweigerer, der eine Ausbildung in einen sozialen Beruf begonnen hatte. Wegen seiner 18-monatigen Gefängniszeit musste er sich umorientieren und wurde Velomechaniker.

Ihr habt euch in Korea in christlichen Kreisen bewegt. Gibt es da einen Konsens, was Militär und KDV betrifft?
B: Verallgemeinern kann man das nicht. Es gibt wenige Befürworter eines Alternativdienstes in kirchlichen Kreisen. Leider aber viele glühende (christliche) Verfechter der Armee und der Schikanen gegen Verweigerer. Südkoreaner kennen, seit sie leben, nur den Kriegszustand und viele erleben jede Armeekritik als «Landesverrat».

Wie ist die Stimmung auf die Annäherung von Nord und Südkorea?
B: Von den konservativen Christen haben wir vorwiegend Ablehnung gespürt, da die Annäherungen von der liberaleren Regierung initiiert werden. Und damit haben sie Probleme.
H: Ein konservativer Pastor hat uns aufgefordert, zu beten, dass es eine koreanische Wiedervereinigung gibt, nach südkoreanisch-kapitalistischem System! Wir erklärten ihm, dass wir in einem ersten Schritt nicht eine «Übernahme», sondern eine Koexistenz, ohne Kriegszustand, als gute Möglichkeit sehen. Diesen Gedanken hatte dieser Pastor (71 Jahre!) noch nie gehabt! Er war dankbar für diesen «neuen» Gedanken.

Welche Anliegen haben die Befürworter des Alternativdienstes in Südkorea?
B: Der Alternativdienst, der diesen Namen verdient, scheint noch in weiter Ferne zu sein. Hier brauchen die Aktivistinnen Weisheit für gute Schritte in den nächsten Monaten. Es ist nötig, Kräfte zu bündeln und Gespräche mit der Regierung zu führen.
H: Manchmal denke ich, Südkorea ist dort, wo wir um 1970 waren.
B: Dass Personen aus dem Ausland mit ihnen in Verbindung sind, ist wichtig.