Schätze ablegen in Ordnern und Dossiers

Die meisten Leute denken bei «Archäologie» eher an die Abenteuer von Indiana Jones als an endlose Regalreihen in kantonalen Archiven. Nicola Leiseder berichtet von seinem Einsatz bei der Kantonsarchäologie Solothurn.

«Oh cool, gräbst du Dinosaurier aus?» – «Hast du schon mal Gold gefunden?» Solche Fragen sind wohl die häufigste Reaktion, wenn ich erzähle, dass ich Archäologie studiere und den Zivildienst in der Kantonsarchäologie Solothurn absolviere. Eine romantische Vorstellung: Im Dreck mit dem Pinsel in der Hand Schätze aus der Vergangenheit ausgraben, die danach in einem Museum bestaunt werden können. Die Arbeit, die hinter und zwischen diesen Prozessen steckt, wird nur selten wahrgenommen. Dabei findet der Grossteil der archäologischen Arbeit im Büro statt. Und in dieser Arbeit bin ich jetzt mit meinem Einsatz eingebunden.

Bürokratische Arbeiten

Der Kanton Solothurn kann auf eine reiche archäologische Vergangenheit zurückblicken: In fast jeder Gemeinde finden sich Spuren früherer Menschen, seien es Steinwerkzeuge, Schwerter, Siedlungsreste, oder Gräber samt Inhalt …  Alle diese Funde und Befunde müssen nun nicht einfach nur ausgegraben, sondern zuerst einmal aufgespürt, dokumentiert und archiviert werden. Dabei fällt eine Menge Geschriebenes an. Denn nicht nur jeder Fund, sondern auch jede Fundstelle (die von einem ganzen Wald bis zu einem einzelnen Gebäude reichen kann) kriegt eine Nummer, Koordinatenangaben, grobe Datierung usw. Diese Angaben müssen digital und analog erfasst werden; hinzu kommen die die Funde und Fundstellen erwähnende Literatur, von den ArchäologInnen verfasste Notizen und Berichte sowie etwaige Fotos. All dies wird sorgfältig in Ordnern und Dossiers abgelegt.

Hier setzt mein Zivildienst an. So durfte ich zu Beginn die Literaturangaben in den physischen Dossiers der einzelnen Gemeinden mit den Einträgen in der Datenbank abgleichen und, wo nötig, ergänzen. Zugleich galt es, diese Texte aufmerksam zu lesen, um bisher noch nicht Erfasstes aufzunehmen – für zukünftige Bautätigkeiten oder Grabungen könnte das einmal wichtig werden. Das war besonders bei älteren Texten spannend, die nebst archäologischen Hinweisen auch viele alte Sagen und lokalhistorische Anekdoten beinhalten. Und als weiterer Bonus kenne ich Solothurn besser als selbst meinen Heimatkanton!   

Solche eher bürokratische Arbeiten machen den Grossteil meines Einsatzes aus. Nebst den Dossiers hatte ich auch mit der Dokumentation von Feuersteinfunden zu tun oder musste die archäologische Karte des Kantons Solothurn mit den online erfassten Schützengraben der Fortifikation Hauenstein vergleichen. Daneben fallen mundänere, doch ebenso wichtige Aufgaben an: Neue Bücher für die Bibliothek müssen registriert werden; ausgeschiedene Bücher gilt es zu entsorgen; ab und zu musste ich anpacken, wenn eine Vitrine für die nächste Ausstellung transportiert werden muss; archäologische Zeichnungen und Illustrationen müssen eingescannt werden; oder ich springe im Sekretariat ein und nehme Anrufe entgegen, wenn sonst gerade niemand da ist. Alles in allem bietet der Einsatz eine abwechslungsreiche und vor allem wertvolle Erfahrung für meine berufliche Zukunft, ergänzt er doch mein theoretisch und technisch ausgerichtetes Archäologiestudium.

Wechsel ohne Generalverdacht

Nur wird mein Einsatz – und überhaupt mein Zivildienst – in wenigen Wochen leider bereits vorüber sein. Ich hätte gerne mehr gemacht, doch hatte ich ursprünglich die RS und ein paar WK bei den Grenadieren in Isone geleistet und mich erst spät zum Wechsel entschieden. Der Militärdienst als Greni war zwar interessant, doch war und bin ich nicht wirklich kompatibel mit dem Militär: Weder die Umgangsformen und Hierarchien, noch der institutionalisierte Gewaltaspekt liegen mir, und auch meine Erfahrungen in den WK waren nicht immer positiv. Dennoch hielt ich einige Jahre daran fest, da ich aus Stolz nicht einfach das Erreichte aufgeben wollte. Ich bin aber sehr froh, dass ich mich doch noch zum Wechsel entschieden habe, denn er ist das Richtige für mich – und auch für die Armee. Ich hoffe nur, dass zukünftige Generationen ebenfalls die Möglichkeit zum Wechsel haben werden, ohne dass sie unter dem Generalverdacht der Faulheit stehen und deswegen bestraft werden – gerade, wenn der Entscheid unter Umständen erst spät getroffen wird.

Manchmal braucht man halt einfach länger, um schwierige Entscheidungen zu fällen und die Konsequenzen daraus ziehen. Den Leuten dabei zusätzliche Steine in den Weg zu legen und nur noch die Hälfte der bereits geleisteten Diensttage anzurechnen, wie es derzeit diskutiert wird, nützt meiner Ansicht nach nichts. Mir etwa hätte eine solche Strafe meine unmittelbare Zukunft völlig verbaut, und so wäre ich wohl in der Armee geblieben: demotiviert und im Wissen, dort eigentlich nicht hineineinzupassen. Ich glaube nicht, dass dies im Sinne der Armee sein kann.